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#Hochsensibilität (Teil 1)


Mit Metaphern & Geschichten können wir komplexe Thematiken leicht verständlich erklären, wie wir in den letzten beiden Blogartikeln ausführlich erläutert haben. Das Phänomen der Hochsensibilität beinhaltet eine Komplexität, die wir mal näher betrachten wollen. Die Forschungen auf diesem Gebiet sind sehr umstritten, doch für Betroffene eher wenig hilfreich.

Gern wird von einer „emotionalen Labilität“ gesprochen, wie vom Psychologen & Kritiker Jens Asendorpf. „Der Persönlichkeitspsychologe Philipp Yorck Herzberg geht davon aus, dass sich aufgrund der Beliebtheit des Begriffs einige als hochsensibel identifizieren, die es gar nicht sind.“ (Quelle: psychologie-heute.de)

Als Betroffene kann ich mich noch sehr gut daran erinnern, als mir eine Freundin ein Buch von Susan Marletta Hart zum Lesen gab. Es war mein erstes Buch über Hochsensibilität & es bescherte mir eine große Erleichterung, denn ich fühlte mich nicht mehr allein, mit diesem Gefühl des Anderssein, denn ca. 20 % der Bevölkerung nehmen (ähnlich wie ich) ihr Umfeld stark wahr & haben auch dieses rege Innenleben.

Viele weitere Bücher folgten, ein eigenes schrieb ich auch & heute schreibe ich für Dich diesen Blogartikel mit einer wunderbaren afrikanischen Fabel, die ich mal bei einer Petra Schneider fand.

Viel Spaß beim Lesen, Jennifer.


1. Fabel: „Die Geschichte vom Adler, der glaubte, ein Huhn zu sein!“


Ein Mann fand eines Tages ein Adler-Ei. Er nahm es mit zu sich nach Hause & legte es in das Nest einer gewöhnlichen Haushenne. Ein kleiner Adler schlüpfte kurze Zeit später aus dem Ei, zeitgleich mit ein paar Hühnerküken & wuchs zusammen mit diesen auf. Sein ganzes Leben lang versuchte der Adler sich wie ein Huhn zu benehmen, was ihm aber nicht immer gelang. Manchmal fühlte er sich wirklich fremd unter all den Hennen. Doch ohne Zweifel, der Adler dachte, er sei ein Huhn wie alle anderen Hühner auf dem Hof. Er kratzte & scharrte in der Erde nach Würmern & Insekten. Er gluckte & gackerte halbwegs wie die anderen Hühner.

Nur ab & zu hob er ein wenig seine Flügel & flog ein Stück über den Hühnerhof, ähnlich wie die anderen Hennen.

Einmal jedoch, er hatte sich völlig vergessen, flog er plötzlich höher als je zuvor… höher als die anderen Hennen! Für einen kurzen Augenblick genoss er es, so hoch durch die Lüfte zu fliegen. Für einen Moment lang begann er zu träumen & war glücklich…

Doch schnell bekam er es mit der Angst zu tun & kehrte zurück auf den Hof.

So vergingen die Jahre & der Adler wurde sehr alt, aber nicht glücklich.

Eines Tages sah er einen herrlichen großen Vogel hoch oben am Himmel seine Kreise ziehen. Anmutig & hoheitsvoll schwebte dieser beeindruckende Vogel in den Lüften, fast ohne seine riesigen, kräftigen Flügel zu schlagen. Der „Hühnerhofadler“ blickte sehnsüchtig zu ihm empor & wusste gar nicht, warum dieser Vogel da oben ihn sooo tief berührte.

„Wer ist das?“, fragte er ganz aufgewühlt eine Nachbarhenne. „Ach, das ist der Adler. Der König der Vögel.“, gackerte die Henne. „Wäre es nicht schön, wenn wir auch so fliegen könnten?”, fragte der Adler. „Das können wir nicht!”, sagte die Henne, „Mit dem darfst du dich nicht messen! Er gehört dem Himmel. Doch du & ich, wir sind von anderer Art, wir gehören dem Boden. Wir sind Hühner!“

Der Adler schämte sich leise für den unbescheidenen Traum vom freien Flug & für dieses komische Gefühl in der Brust, das sich in ihm breit gemacht hatte. Ein Gefühl, so weit & luftig, so frei.

So blieb der Adler das, wofür er sich hielt & starb eines Tages als Huhn unter Hühnern. Sein Glaube an sich selbst hatte ihn daran gehindert, seine wirkliche Bestimmung zu leben!


2. Einleitung


Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als ich zu einem Elterngespräch wegen unserer Tochter in den Hort eingeladen wurde. Mir wurde die Frage gestellt, ob wir uns zu Hause nicht streiten oder nicht mal laut werden würden. Ich verstand diese Frage gar nicht, denn was hätte das mit unserer Tochter zu tun? Ja, unser Mädchen wäre zu sensibel & finge immer an zu weinen, wenn eine Erzieherin mit einem anderen Kind laut schimpfen würde.

Seitdem hörte ich viele Erzählungen von vorzugsweise mütterlichen Klientinnen, was sie durchleben, wenn ihre hochsensiblen, feinfühligen oder hochbegabten Kinder in der Kita oder Schule „auffällig“ werden.


2.1. Keine Bewertung


An dieser Stelle möchte ich gerne betonen, dass wir jedes Kind, jeden Menschen in seiner Einzigartigkeit sehen. Das Wort „hoch“ soll keine Bewertung von besser oder schlechter implizieren, doch es wird im Allgemeinen verwendet & somit verstanden.

Dr. Patrice Wyrsch spricht von Neurodiversität. Persönlich gefällt uns diese Begrifflichkeit, sie ist jedoch noch nicht so weit verbreitet. In einem nächsten Blogartikel gehe ich deshalb näher darauf ein.


3. Anderssein ist unerwünscht.


„Was glaubst Du denn, wer Du bist?“ „Du hältst Dich wohl für was Besonderes?“ „Lass Dir ein dickes Fell wachsen.“ „ Ihr Kind tanzt immer aus der Reihe!“ „Es kann keine Extrawürste für Ihr Kind geben!“ Diese & noch viele andere Äußerungen hören diese andersartigen Kinder oder ihre Eltern.


3.1. Ein Adler unter Hühnern.


Zurück zu unserer Fabel: Spätestens wenn ein Kind in die Kita & in die Schule kommt, findet es sich im „System der Hühner“ wieder. Solltest Du bzw. Dein Kind kein „Huhn“ sein, also nicht „der Norm“ entsprechen, kann es folgende Szenarien geben:

Der kleine „Adler“ wird ausgegrenzt oder verspottet, weil seine natürliche Fertigkeit nicht darin liegt, Körner zu finden & wie andere zu sein. Ihm selbst wird somit sein wahrer Wert leider nicht bewusst. Stattdessen fängt der „Adler“ an, sich mit all den „gackernden Hühnern“ in seinem Umfeld zu vergleichen. Er zieht dabei immer den Kürzeren.

Seine natürlichen Gaben – wie die Hochsensibilität – kann er nicht erkennen. Stattdessen passt er sich der vorgegebenen „Hühnerlebensform“ an. Manch ein „verkannter Adler“ wird ein „besseres Huhn“, als die „wahren Hühner“. Andere werden „rebellische Hühner“, die aus der Reihe tanzen & als „Exoten“ abgestempelt werden. Es gibt „süchtige Hühner“, „kranke Hühner“, „verhaltensauffällige Hühner“ und unzählige mehr!

Dieses ganze Anpassungs-Spiel kostet einem Hochsensiblen unglaublich viel Kraft & Lebensfreude. Es verhindert, sich selbst zu erkennen. Der Blick ist stets auf Andere gerichtet, statt auf sich selbst. Das führt zur Überforderung, Stress & Unzufriedenheit bis hin zu psychosomatischen Erkrankungen. Dabei weiß der als „Huhn verkleidete Adler“ nicht einmal genau, weshalb er unzufrieden ist: Schließlich hat er doch alles, was ein „Huhn“ fürs Leben braucht. Er strengt sich noch mehr an, um dazu zu gehören, bis er innerlich aufgibt & zu dem Schluss kommt: Mit mir stimmt irgendetwas nicht!


4. Fazit


Ich nehme mal eine Weisheit von Henry Ford zur Hilfe: „Enten legen ihre Eier in Stille. Hühner gackern dabei wie verrückt. Was ist die Folge? Alle Welt isst Hühnereier.“ Dabei sind Enteneier viel größer. 😉

Ja, es gibt viel mehr Hühner als Adler auf dieser Welt. In der Tierwelt werden diese Tatsache & jene Andersartigkeit von uns akzeptiert. Tatsächlich schauen wir Menschen ganz ehrfürchtig & bewundernd einem Adler nach, bei den Hühnern ist das eher nicht der Fall. Außer wir sind noch ein Kleinkind, was gerade die Welt entdeckt oder ein Hühnerzüchter.

In der Welt der Menschen sollten wir ebenfalls diese Akzeptanz leben. Nur, weil die Forschung noch nicht die Beweise liefert, die ein normalsensibler Mensch für seinen Verstand braucht, heißt es nicht, dass das Phänomen der Hochsensibilität von ca. 20 Prozent der Menschen gar nicht existiert & damit nicht anerkannt wird & nicht in unserem Alltag Berücksichtigung findet. Oder noch schlimmer, dass dieses Persönlichkeitsmerkmal sogar abgewertet wird.


5. Das Beste zum Schluss

HAPPY BIRTHDAY LIAM!


Diese Woche wird Liam 13 Jahre alt. Beim Schreiben dieses Blogs dachte ich an diesen außergewöhnlichen Teenager mit all seinen gesellschaftlichen Herausforderungen, stellvertretend für viele Hochsensiblen.

Seine Eltern, seine sportlichen Trainer*Innen & einige wenige Lehrer*Innen sehen & erkennen Liam in seiner wahren Natur. Sie fordern & fördern ihn, damit er sich selbst annehmen kann & sich voll in seinem Potential entfalten kann.

Ich wünsche Liam, dass er seinen Focus auf sich selbst & diese wundervollen Lebensbegleiter*Innen behält & sich selbst weniger mit anderen vergleicht.

Und das wünsche ich mir auch für DICH!



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